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Dr. Ueli Habegger: Eröffnungsrede

 

 

Anna Blume

Ausstellung

in der Kornschütte

 

 

Meine Damen

Meine Herren

Verehrte Gäste

 

Lang ist’s her, seit ich Sie im Namen der Stadt zu einer Ausstellung in der Kornschütte begrüssen konnte. Ich danke Ihnen, dass Sie unserer Einladung gefolgt sind.

Diese Vernissage hätte eigentlich vor mehr als einem Jahr stattfinden sollen, stattfinden müssen. Ich erinnere mich sehr gut an jenes Zusammentreffen mit Peter Hunold, dem damaligen Präsidenten der städtischen Kommission für Bildende Kunst, Architekt, Kunstfreund und Kunstsammler. Er erkundigte sich im Oktober 2000 nach dem Ausstellungsprogramm für die Kornschütte. Als der Name Anna Blume fiel, sagte er drei Worte: Erfreulich, spannend, endlich. Das Wort ENDLICH bestimmte auch den Wunsch der Kornschütte-Kommission: Es war an der Zeit, das Werk der grossen Schweizer und Luzerner Künstlerin, wohnhaft in Böschenroth, dem östlichsten Zipfel unseres Kantons, in der Kornschütte zu zeigen. Und Peter A. Frey, ihr Sohn, plante mit Verve die Ausstellung, und unser aller Wunsch war es, dass die Retrospektive von Anna Blume in ihrem Beisein stattfinden könnte.

 

Leider kam alles anders. Und ich bin Peter A. Frey dankbar, dass er mit grosser Hingabe und Zuneigung diese Ausstellung dennoch verwirklicht hat.

 

Vielen Dank.

 

 

 

 

Künstlerinnen haben seit dem 16. Jahrhundert einen grossen Beitrag zur Entwicklung der Kunst, des Sehens und Verstehens geleistet. Die Kunstgeschichte gewähnt sich erst langsam und sehr spät daran, auch Frauen als herausragende Kunstschaffende einer Epoche anzuerkennen: Sofonisba Anguissola, Artemisia Gentileschi, Maria Sybilla Merian in der Renaissance und im Barock, Angelica Kauffmann als wichtige Malerin des europäischen Klassizismus, Berthe Morisot und  Mary Cassatt unter den Impressionisten zu würden. Die Bildhauerin Camille Claudel ist erst vor einigen Jahren ‚entdeckt’ und ihr Schicksal durch den Film popularisiert worden. Die Kunst von Georgia O’Keeffe und von Louise Bourgeois gehört erst seit kurzem zum Kanon der Moderne.

 

Frauen haben nie dieselben Bedingungen für die Entwicklung ihres Talents und die Ausübung ihres Berufs vorgefunden wie ihre Kollegen; Sitten und Konventionen hinderten Frauen daran, als Künstlerinnen den gleichen Weg wie ihre Kollegen zu gehen. Ihre rechtliche Stellung glich im 17. und 18. Jh. noch der von Minderjährigen; sie lebten zuerst in der Obhut ihrer Väter, dann der ihrer Ehemänner, und meist waren sie gezwungen, sich auf die intime Malerei von Porträts und familiäre Szenen zu beschränken.

 

Dennoch: Frauen haben ihre eigene Bilderwelt geschaffen, ohne die unser künstlerisches Erbe nicht denkbar wäre.

 

 

Anna Blume wäre in diesem Jahre 90 geworden. 1912 wurde sie in Zürich geboren. In jungen Jahren erwarb sie sich das, was man Bildung im Sinne des 19. Jh. nannte: Das bedeutete nicht nur Kenntnis, sondern auch Liebe zu Literatur, Musik und Kunst. Sie heiratete den Kunstmaler August Frey. 1935/l936 studierte Anna Blume, die damals  sich Annie Frey nannte, an der Académie de la Grande Chaumière in Paris. Verschiedene Aufenthalte in Frankreich, Spanien und Italien. schlossen sich an. Von 1965 an arbeitete sie und ihr Mann im Atelier in Zürich und Böschenrot/Luzern. Bis in die achtziger Jahre war sie als gegenständliche Künstlerin bekannt, malte magische Stillleben und Intérieurs. Die achtziger brachten die Wende, die Abkehr von der gegenständlichen Kunst und die Entwicklung einer arachisch anmutenden Sprache, welche man am ehesten als poetische Geometrie’ bezeichnen könnte.

 

2001 ist Anna Blume in Böschenrot gestorben.

 

Weiter lebt sie in ihren magischen Werken.  Die Ecriture Poetique lässt einfache Zeichen erscheinen, aber das, was Anna Blume einst sich in einer akademischen Ausbildung angeeignet hat, scheint durch alles durch: der gekonnte Umgang mit den wichtigsten Elementen bildnerischen Schaffens, Textur, Farbe, Linie, Fläche und Kontur.

 

Alle diese wunderbaren, zauberhaften Werke sind aus der intensiven Auseinandersetzung mit dem Material, dem Ding herausgewachsen, aus dem Widerstand mit dem Material.

 

Bild und Wort leben in den Blättern, die Peter A. Frey im Kabinett neben dem Eingang zur Kornschütte zeigt, in einer seltenen, selten schönen und tief ergreifenden Symbiose.

 

Wenn ich den Werken Anna Blumes begegne, so erkenne in ihnen das magische Leuchten. Es ist indirekt ein Widerschein des Schicksals einer Künstlerin: Das Wort „aus dem Schatten treten“ begleitet die Viten aller grossen Künstlerinnen. Anna Blume gehört dazu. Vor vielen Jahren öffnete die Kornschütte die Tore für die Fotografien ihres Schwagers Theo Frey, und Sie erinnern sich, meine Damen und Herren, dass wir auch die Werke von August Frey, ihrem Mann, hier in einer Retrospektive sehen konnten. Darum freue ich mich, dass Anna Blumes Werke von heute an im Lichte der Öffentlichkeit aufscheinen.